Andere Brötchen backen

Andere Brötchen backen

Der Onlinehandel mit Lebensmitteln hat im letzten Jahr enorme Zuwachsraten verzeichnet. Die Journalistin Ulla Cramer befragte für das IHK-Magazin Rhein-Neckar die Dekoback GmbH nach ihren Erfahrungen in der Lebensmittelindustrie.
Schokoladiger Genuss Du liest Andere Brötchen backen 5 Minuten Weiter Neuer Look für Backdekore

Text von Ulla Cramer (IHK-Magazin Rhein-Neckar 10/2021)

Manche Geschäftsideen entwickeln sich spontan – so bei Rüdiger Settelmeier, der 2009 vergeblich im Einzelhandel und im Internet nach einer Winnie-the-Pooh-Kuchenform forschte, um den Wunsch  seiner Nichte zu erfüllen. „Sicher gibt es noch mehr Kinder, die sich einen Geburtstagskuchen mit ihrer Lieblingsfilmfigur wünschen“, überlegte er und machte Nägel mit Köpfen. Schon ein Jahr später gründete er gemeinsam mit Sascha Hohl und Ceyhan Serbest die Firma Dekoback für Backzubehör und -zutaten. Heute zählt Dekoback mit Sitz in Helmstadt-Bargen rund 120 Mitarbeiter, hat sein Lager erst im August auf rund 12.000 Quadratmeter erweitert und vermarktet seine Kuchen-und Tortendekorationen in über 30.000 Verkaufsstellen weltweit. Das 200 Produkte umfassende Sortiment trägt den Markenamen Decocino und wurde inzwischen durch eine Bio-Linie ergänzt. Industrie und Großbäckereien werden mit der Marke „Dekoback Industry“ beliefert.

„Angefangen hat alles mit einem Online-Shop“, erinnert sich Sascha Hohl, „Doch dann kam der Spielzeughändler ‚myToys‘ als einer der ersten B2B-Kunden auf uns zu und wir stiegen in den stationären Einzelhandel ein. Heute verkaufen wir unsere Ware vor allem im Lebensmittelhandel. Hier sind wir bei allen großen Playern in der Branche gelistet.“ Punkten kann seine Firma dabei vor allem mit einem eigenen, nationalen Vertriebsteam mit 22 festangestellten Mitarbeitern, die nicht nur die mit Dekoback-Produkten besetzten Regale kontinuierlich betreuen, sondern die Angebotspalette mit spannenden Sonderaktionen am Point of Sale aufmerksamkeitsstark in Szene setzen – wenn es denn Corona erlaubt.

„Im Lebensmittelhandel sind wir in einer Branche unterwegs, die zwar online stark expandiert – aber der Anteil des Online-Umsatzes am Gesamtumsatz der Branche beträgt auch nach den starken Zuwachsraten der vergangenen Monate immer noch lediglich zwei Prozent und bewegt sich damit auf einem sehr niedrigen Niveau“, beschreibt der Unternehmer die aktuelle Situation. „Trotzdem bauen wir über eine Tochtergesellschaft unsere Online-Aktivitäten über einen eigenen Webshop aus und nutzen zudem verstärkt die großen Plattformen wie Amazon.“

Das E-Commerce-Geschäft liege inzwischen so bei einem Umsatzanteil von rund fünf Prozent und werde noch wachsen. In den sozialen Medien ist das Unternehmen ebenfalls aktiv und kooperiert eng mit You-Tuberin Saliha Özcan alias Sally und ihrer großen Back-Community, die von Dekoback hergestellte Produkte auch unter der eigenen Marke anbietet. Der Vertrieb in diesen beiden  Bereichen, so die Erfahrung von Hohl, unterscheide sich bei den Anforderungen an die Mitarbeiter ganz grundsätzlich, deshalb wurden diese beiden Themen auch getrennt. „Im klassischen Vertrieb geht es um Kontakte und Kommunikation, beim Bereich Online steht technisches Knowhow im Vordergrund – da ist ein ganz anderer Hintergrund gefragt.“

In der Tat ist das stationäre Einzelhandelsgeschäft nach wie vor der wichtigste Vertriebskanal des deutschen Einzelhandels. In einer Studie des Forschungsinstituts ibi Research an der Universität Regensburg gemeinsam mit der IHK-Organisation gaben 2020 79 Prozent der befragten Händler an, ihre Produkte stationär zu verkaufen. Doch das waren sechs Prozentpunkte weniger als in der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2017 – eine klare Tendenz nach unten. Im selben Jahr gingen außerdem 87 Prozent der Teilnehmer einer  parallelen Untersuchung davon aus, dass bis zum Jahr 2030 die meisten Geschäfte auch digitale Services anbieten würden.

Viele Händler mögen sich damals gedacht haben: Bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein runter. Doch die Pandemie kam, die Konsumenten orientierten sich neu – und eine Präsenz im Netz wurde für viele Händler zu einer existenziellen Frage. 35 Prozent der von ibi Research in einer weiteren Untersuchung im November 2020 befragten Einzelhändler bestätigten, aufgrund der Coronakrise neue Digitalisierungsprojekte angestoßen sowie geplante Maßnahmen vorgezogen zu haben. So wurden Social-Media-Aktivitäten gestartet, Webseiten und Online-Shops ins Leben gerufen und Online-Marktplätze gewannen zunehmend an Beliebtheit. Und: Es zeigte sich einmal mehr, dass die Digitalisierung nicht nur erforderlich ist, um Bestandskunden zu halten, sondern auch um neue Zielgruppen zu erschließen. „Online und Offline“, so raten Experten, „sollen nicht mehr in zwei Geschäftsmodellen gedacht  werden, sondern als einheitliche Geschäftsstrategie entwickelt und ausgeführt werden.“

Die Industrie- und Handelskammern wissen um die Bedeutung digitaler Lösungen für die Zukunft der Innenstädte, wie die vier IHKs der Metropolregion Rhein-Neckar erst kürzlich in einem Leitbild zur Zukunft der Innenstadt betont haben, und appellieren hier ebenso wie der Handelsverband Deutschland (HDE) auch für eine Unterstützung durch die Politik. Im Fokus stehen steuerliche Entlastungen und Förderungen für die technologische Entwicklung am Point of Sale und die aktive Nutzung digitaler Mittel zur Belebung der deutschen Innenstädte.

Denn die Lage im Einzelhandel ist weiterhin von den Geschäftsschließungen im Lockdown der vergangenen Monate geprägt. Insgesamt geht der HDE ohne weitere Lockdowns und bei niedrigen Infektionszahlen von einem Umsatzwachstum von 1,5 Prozent aus, wobei vor allem der Online-Handel Treiber bleibt. Dieser kann seine Umsätze 2021 voraussichtlich um fast 20 Prozent steigern, während der stationäre Bereich rund 1,1 Prozent seiner Erlöse einbüßt.

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